Zurück zur Startseite
 Startseite   Kontakt   Impressum   Datenschutz   Gästebuch   English  Zitat von Friedrich Jürgenson

Der Tod im Lichte des Stimmenphänomens

von Victor Bättig

Ein umfassendes Menschenbild kommt nicht an der Frage des nachtodlichen Lebens vorbei. Parapsychologische Phänomene sind nicht nur philosophische, spielerische Probleme, sondern für jene, die es trifft, Fragen von einem existentiellen, oft tragischem Ernst. Ich denke vor allem an Spuk, Besessenheitsphänomene und Grenzfragen, welche zur Mystik hinüberführen. Über den Wert des Stimmenphänomens, als einem Teilgebiet der Parapsychologie, ist man sich unter den wirklichen Kennern einig. Negative Bewertungen beruhen auf mangelnder Kenntnis. Natürlich herrscht auch unter den Kennern nicht immer Einigkeit in der Bewertung der Praxis.

Dem Stimmenphänomen fällt eine dreifache Aufgabe zu:
1. Das Konstatieren
2. Das Interpretieren
3. Das Werten

Um eine Tatsache zu konstatieren, setzen wir das Tonband ein. Dieses Gerät zeichnet uns die Fakten auf. Das Interpretieren und Werten der konstatierten Tatsachen müssen wir zu den menschlichen Leistungen zählen. Vor allem das Interpretieren ist eine Verstandessache, abhängig von der Intelligenz und dem bisherigen Wissen. Das Werten ist abhängig von der Intuition, von den bisherigen Lebenserfahrungen, von der Differenzierung. Es ist oft schwer beim Konstatieren und beim Interpretieren, mit anderen zum gleichen Urteil zu kommen. Dies trifft noch mehr beim Werten zu.

Wir müssen uns immer fragen, was gewertet wird, eine Theorie oder eine Praxis. Welches sind die Maßstäbe solcher Belange? Wenn es um die Wertung der Parapsychologie als Theorie, als eine Wissenschaft wie irgend eine andere, geht, so kann das Werturteil objektiv gesehen nur ein positives sein. Verglichen mit andern Wissenschaften ist ihr Wert umso größer, als die Reichweite ihrer Konsequenzen fast unübersehbar groß und tief ist. Das Wesentliche, was sie zu sagen hat, ist zu erkennen im Ringen um ein erweitertes Menschenbild, das Verhältnis von Leib, Seele und Geist, um philosophische Fragen wie dem Raum- und Zeitproblem, dem Wesen der Materie, dem Verhältnis von materieller und psychischer Energie.

Das uns hier interessierende Problem ist doch dies, ob wir an Hand der Parapsychologie in der Lage sind, ein besseres Wissen über den Tod zu erlangen, und zudem mit dem Stimmenphänomen einen aktiven Beitrag dazu leisten können.

Bei Post-Mortem-Experimentalbeweisen geht ein Teil der Autoren von einem positivistischen experimentellen Wissenschaftsbegriff aus. Sie sagen: wissenschaftlich gültig sind nur jene Resultate, die im Experiment von einem Forscher unter den gleichen Bedingungen wiederholt werden können. Ich möchte dabei an die Karten- und Würfelexperimente, die Rhine an der Duke University in ungezählten Versuchsreihen durchführte, erinnern. Diese Versuche können beliebig oft wiederholt werden. Es ist eine quantitativ statistische Methode, welche die Wissenschaft anerkennt. Diese Voraussetzung sind wir in der Lage, mit dem Stimmenphänomen empirisch zu erfüllen. Mit nur etwas menschlicher Zielstrebigkeit, Fleiß und Geduld, kann jeder Leser solche Stimmen empfangen, ohne mediumistische Fähigkeiten zu besitzen. Er braucht dazu nur ein handelsübliches normales Tonbandgerät. Eine quantitativ statistische Anerkennung ist ohne größere Schwierigkeit zu erbringen, und kann somit den Anspruch auf Objektivität des Phänomens erheben. Über den Wert des Stimmenphänomens als Teilgebiet der Parapsychologie ist man sich unter den Kennern der Sache einig.

Wenn Kritiker, und die gibt es immer wieder, konsequent sein wollten, so müßten sie z.B. viele Ergebnisse der Astronomie ebenfalls ablehnen. Astronomie untersteht der Beobachtung, und, wie die Kritiker wissen, nicht dem Experiment. Dort werden Beobachtungen mit fotografischen Aufnahmen erhärtet. Es würde keinem Skeptiker in den Sinn kommen (oder doch?) bei einer astronomischen Beobachtung, welche auf dem Film erkennbar ist, auf die Gedankenfotografie des Chicagoer Mediums Ted Serios hinzuweisen, der auf dem Film einer Kamera Bilder seiner Vorstellung oder ungewollte Produktionen erscheinen lassen kann, in diesem Fall hervorgerufen durch das gedankliche Kollektiv der bei einer Beobachtung anwesender Astronomen. Dieselben Kritiker aber, die weder konsequent sind, noch durch eigene Erfahrungen mit dem Stimmenphänomen in der Lage sind, die Sache zu beurteilen, wollen den Stimmen einen ähnlichen Ursprung zumuten, wie wir sie bei der Gedankenfotografie kennen. Warum zögern diese Kritiker, ihre Bedenken bei der Astronomie anzumelden? Sie wissen doch sehr genau, daß es sich dort zum Teil um Einzelphänomene handelt, die nicht wiederholbar sind, die aber trotzdem als wissenschaftlich gesichert gelten, weil verschiedene Beobachter, welche unabhängig voneinander die gleiche Beobachtung machen, sie bestätigen. Würde es sich an Stelle eines astronomischen Phänomens um ein parapsychologisches Phänomen handeln, würden dieselben Leute sagen: Telepathie, Massensugestion, Massenhalluzination. Solche Wortführer der Kritik machen es sich oft sehr einfach. Die Glaubwürdigkeit qualifizierter Zeugen wird nach Willkür bestimmt, nach der Willkür, die in ihr vorgebautes Denkgebäude paßt. Sie sind mehr in ihr System als in die Wahrheit verliebt. Sie nennen das zwar diszipliniertes wissenschaftliches Denken. Nach dieser Gruppe von wissenschaftlichen Wortführern müßten wir alle Wissenschaftszweige als unwissenschaftlich ablehnen, deren Erkenntnisse objektiv nicht nachprüfbar sind, d.h. alles was im Experiment nicht beliebig wiederholt werden kann. Nach einer solch kurzsichtigen Meinung müßten viele Lehrstühle an den Universitäten aufgehoben werden. Brotlos würden dabei Dozenten der Geschichte,

Archäologie, Astronomie, Rechtslehre, Theologie ... bis in die Naturwissenschaften hinein, erst recht der Psychologie und der Geisteswissenschaften. Denn in vielen Belangen beruhen ja diese Wissenschaftszweige auf den Beobachtungen und Aussagen qualifizierter Zeugen, auf denen sie ihre Erkenntnisse aufbauen müssen.

Hören wir nicht auf diese Besserwisser, und lassen wir all diesen Lehrstühlen ihre Existenzberechtigung, sie sind von großem Nutzen, und wir brauchen sie. Sämtliche Wissensgebiete hängen zusammen, sie stützen einander. Wir dürfen auf keine verzichten, wollen wir nicht den Fortschritt behindern.

Über die Inerpretation des Animismus und Spiritismus brauchen wir uns an dieser Stelle nicht weiter zu unterhalten. Wir werden mit diesen beiden Auslegungsmöglichkeiten bei jeder Einspielung konfrontiert. Die Tatsachen sprechen für sich.

Mit den Vertretern eines positivistisch experimentellen Wissenschaftsbegriffs erübrigt sich ein weiteres Gespräch über den Tod im Lichte des Stimmenphänomens. Jene aber, die bejahen, daß es ein Wissen um Tatsachen geben kann, die viele entsprechend qualifizierte Zeugen unabhängig voneinander als objektive Tatsachen erkennen, sind sich darin einig, daß das Stimmenphänomen in einer Weise bezeugt ist, wie überhaupt kein anderes Phänomen. -

Wir dürfen dabei nicht nur das Stimmenphänomen in Betracht ziehen, sondern müssen auch jenes Wissen um Tatsachen sehen, die entsprechend qualifizierte Zeugen unabhängig voneinander berichten, und die sich darin einig sind, daß Phänomene, wie z. B. das sog. Künden Sterbender, ortsgebundener Spuk, die Sitzungsphänomene mit Sprechmedien, Schreibmedien, ja Materialisationsmedien, in einer Weise bezeugen, wie kaum andere Phänomene, die wir auf Zeugenschaft hin annehmen.

Bei den Phänomenen, deren Faktizität mit der post-mortalen Existenz im Zusammenhang steht, gibt es eine kleinere Zahl von extremen Animisten, die der Überzeugung sind, daß alles mit der uns heute bekannten Hypothese der "Überleistung der Tiefenseele" oder des Unbewußten erklärbar sei. Sie sind der Überzeugung, daß auf die Frage nach der post-mortalen Existenz von der Parapsychologie her keine Antwort zu erwarten sei. Wir dürfen heute feststellen, daß das Stimmenphänomen dieser extremen Ansicht entgegengewirkt hat, und zwar mit Argumenten, die nicht übersehen werden dürfen. Viele überzeugte Animisten haben sich erst nach jahrzehntelangem Ringen dazu veranlaßt gesehen, ihre extreme Haltung aufzugeben und der Überlebenshypothese ihre Daseinsberechtigung zuzuerkennen, weil sich diese ihrer Meinung nach als wahrscheinlicher und ungezwungener herausstellte. Mattiesen, um nur einen von vielen zu nennen, hatte noch in seinem früheren Werk "Der jenseitige Mensch" den animistischen Standpunkt vertreten. Nach über 10 Jahren intensivster Beschäftigung mit dem gesamten Material hat er 1936/39 1300 Seiten über das "Persönliche Überleben des Todes" geschrieben. Der Präsident der Utrechter Konferenz für Parapsychologie, 1953, Murphy, gab zwei Jahre später das englische Standartwerk von Myers "Human Personality and its survival after bodily death", unverändert neu heraus. Beides Werke, welche an umfassendem Wissen und klugem nüchternen Urteil ihresgleichen suchen.

Die Ablehnung solch umfassender Werke war leider an der Tagesordnung. Bei den Kritikern vermißte man ein detailliertes Zerpflücken der einzelnen Beiträge. Es blieb einfach bei einer allgemeinen Ablehnung, wobei alles den Überleistungen der Tiefenseele zugeschoben wurde. Dabei unterstellte man, daß dieses Unbewußte völlig bekannt und verstehbar sei. Über das Unbewußte als Hypothese war man längst hinweg, denn sie hat sich in der Praxis bewährt und viele bisher unerklärliche Vorgänge auf einfache und bequeme Weise verstehbar gemacht. Daß ihr (dem Unbewußten) nach wie vor der Ruf der Hypothese antastet, wird nie oder selten erwähnt.

Bevor wir einen Standpunkt einnehmen, um ein uns genehmes Weltgebäude zu stützen und zu halten, sollten wir uns auch die erarbeiteten Kenntnisse der anderen Seite anhören. Jung hat noch in seinen späteren Arbeiten auf die Hypothese des Unbewußten hingewiesen. In seinem Buch "Theoretische Überlegungen zum Wesen des Physischen" erklärt er dazu: "Die Hypothese des Unbewußten bedeutet ein großes Fragezeichen, das hinter den Begriff der Psyche gesetzt werden muß". Man muß sich heute wundern, daß durch die Animisten (bei der Interpretation eines Phänomens) ohne Fragezeichen unterstellt wird, daß über das UB als Auslöser der oben besprochenen Phänomene absolute Gewißheit herrsche. Zu dieser Frage sagt Jung im gleichen Buche einige Seiten später: "Es handelt sich ja nicht darum, eine Behauptung aufzustellen, sondern vielmehr ein Modell zu entwerfen, welches eine mehr oder weniger nützliche Fragestellung verspricht". Wir haben also keinen Grund, mit dem animistischen Denkmodell mit solcher Sicherheit umzuspringen, als wenn diese Hypothese die einzige richtige Wahrheit auf der Welt bedeuten würde. Sie ist und bleibt vorläufig eine Hypothese, also eine Annahme auf Grund der Wahrscheinlichkeit. Jung hat sich nicht umsonst einige Jahre vor seinem Ableben oftmals für die spiritualistische Hypothese entschieden, obwohl er in seinen jungen Jahren erklärte, daß die Geister und andere okulten Phänomene vom psychologischen Standpunkt aus als "unbewußte autonome Komplexe, welche projiziert erscheinen", oder mit anderen Worten als "exteriorisierte Wirkungen unbewußter Komplexe", aufzufassen wären. Klar und deutlich schrieb er damals "... aber ich kann in all dem keinen Beweis für die Existenz von wirklichen Geistern erblicken, sondern muß dieses Erscheinungsgebiet bis auf weiteres für ein Kapitel der Psychologie halten".

Wir wissen, daß fast dreißig Jahre später Jung zum gleichen Problem folgende Stellung einnahm:"... Nachdem ich seit einem halben Jahrhundert von vielen Menschen und in vielen Ländern psychologische Erfahrungen gesammelt habe, fühle ich mich nicht mehr so sicher wie im Jahre 1919, als ich obigen Satz niederschrieb. Ich zweifle, offen gestanden daran, daß eine ausschließlich psychologische Methodik und Betrachtung den in Frage stehenden Phänomenen gerecht werden kann ...".

Der Fall Jung zeigt, daß bei den Forschern der Wahrheit oft ein jahrzehntelanges Ringen vorausgeht, ehe die Dinge richtig gewertet sind. Wenn besonders reiches Material vorhanden ist von verschiedenen Autoren, welche unabhängig voneinander zu gleichen Ergebnissen kommen, dann ist es nicht damit getan, bei einer allgemeinen Ablehnung zu bleiben. Wenn wir etwas ablehnen und verwerfen wollen, das ein Material von mehreren hundert oder gar tausend Seiten umfaßt, dann ist es mit einer 10- oder 15-seitigen Kontroverse nicht getan. Im Gegenteil, eine Ablehnung hat sich mit den einzelnen Fakten Punkt für Punkt auseinanderzusetzen, um zu versuchen, die Meinungen, Ansichten, Überlegungen und Thesen zu widerlegen. Wird das nicht gemacht, hat das mit Wissenschaft nur noch wenig zu tun. Reine, nicht voreingenommene Wissenschaft, beschreibt, ordnet, erklärt, interessiert sich nur für die Frage, was wirklich ist, und wie das unleugbare Faktische zu deuten ist. Wenn wir so vorgehen, drücken diese Arbeiten die Überzeugung aus, daß die rein animistische Erklärung der paranormalen Phänomene sicher nicht ausreichend ist. Das Resultat der bisherigen Überlegung ist, daß ein großer Teil derer, die sich ernstlich und eingehend mit parapsychologischen Fragen beschäftigen, oft erst nach langem Ringen zum Schluß kamen, daß eine gewisse Summe von Phänomenen nur durch das Hereinwirken Jenseitiger erklärt werden kann.

Die ganze Bedeutung von Tatsachen liegt in den Details. Diese Details sind geladen mit Einzelheiten, die es zu erkennen gilt. Wir dürfen sie nicht, wenn sie uns unbequem sind, einfach ignorieren. Ich weiß, das Material, welches wir durch die Literatur und die praktischen Erfahrungen sammeln, ist unerschöpflich. Unter solchen Eindrücken und dem Ballast könnte man leicht entmutigt werden, wenn man andererseits nicht höhere Erwägungen und eine Reihe unbestreitbarer Tatsachen hätte, welche zur Verifizierung ihrer Wahrheit - der Natur selbst - mithelfen würden.


(Quelle: VTF-Post P 23, Heft 1/81 und P 24, Heft 2/81)