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Gedanken zur Toleranz

Ein Thema aus dem Leben
von Otto Röhler

Ein Thema aus dem Leben ist hier zum Denken aufgegeben.
Da steht man dann als armer Tor und kommt sich selbst belämmert vor.
Doch hört nur zu und gebt gut acht, was ich für Euch daraus gemacht.

Von Menschen hört man manchmal Worte, wie Zuckerguss auf einer Torte.
Sie reden einfach so dahin und überlegen nicht den Sinn,
der diesen Worten innewohnt, als ob man auf einem Throne thront.
Oft wird privat und im Beruf uns recht plastisch vorgeführt,
wie schnell man so ein Wörtchen spricht – aber man begreift den Sinn gar nicht.

Wir reden oft von Toleranz - verstehen wir wirklich dieses Wort auch ganz?
Und dann die Steigerung des Ganzen – gar die menschlichen Toleranzen?
Was heißt denn nun dies Wort, dies schöne? Der Duden sagt exakt, es lehne
aus dem Lateinischen sich ab – und vielerlei Bedeutung hat.

Wer duldsam und mit weichem Herz, nachsichtig auch bei großem Schmerz,
der ist, so sagt der Duden klar – sehr tolerant! – Wie wahr, wie wahr?
Das Lexikon geht nämlich weiter und schildert wie auf einer Leiter,
zunächst die technischen Begriffe. Zum Beispiel wie auf einem Schiffe,
man es wie weit beladen kann, bevor zu sinken es begann.

Bei Maß, Gewicht, bei Loch und Rohr, da kommen Toleranzen vor.
Es ist der Grenzwert, dieses Maß, für Ingenieure gar kein Spaß,
wenn eine Brücke mit Bedacht, beladen wird – bis sie dann kracht.
Belastungstoleranz das ist, für Techniker und Moralist.

Denn auch für Menschen kann das passen: sie ärgern sich, bis sie sich hassen;
- aus der früh´ren Duldsamkeit - entsteht nun Haß und Zank und Streit.......!
Die Toleranz ist dann vergessen, man ist nur noch darauf versessen,
wie man sein Mütchen kühlen kann ..... und bald danach schämt man sich dann.
Ihr seht: empfindlich ist das Streben nach Toleranz – sensibel – eben.

Die Toleranz, so kann man sagen, ist, wenn den andern wir ertragen,
grad´ wie er ist und sich bemüht .... wir akzeptier´n den Unterschied.
Denn unsere Industriekultur vernichtet unentwegt Struktur
in Ländern, Dörfern, in der Stadt, sie ebnet ein – macht alles glatt.
Und auch im geistigen Bereich macht sie uns kirre, kocht uns weich.
Wir sollen all dasselbe denken, so lassen wir uns leichter lenken!

Hier ist die Toleranz gefragt, und sei es noch einmal gesagt:
bejaht wird Unterschied, Struktur, daß trotz der Industriestruktur
wir möglichst frei uns könn´ entfalten und wahre Freiheit kann hier walten.
Und wahre Freiheit ist doch die, dem Andersdenken, grad wie
uns selbst, das Gleiche zu gestehen, auch - wenn es uns oft unbequem.

Wir schicken Sonden in das All, spalten Atome überall,
lösen die Rätsel dieser Welt und das, was sie zusammenhält.
Doch bei den eig´nen Vorurteilen, da woll´n wir gerne noch verweilen.
Wie schwer ist´s doch, sich selbst zu kennen, die Ding´ beim Namen zu benennen...

Wir werden oft von Wünschen, Hoffnung, Trieben - oft unbewußt - umhergetrieben.
Sie sind ein Teil von uns, die Triebe, der Haß, die Angst und auch die Liebe,
das Glück, die Furcht, das Traurigsein – sie alle woll´n verstanden sein.
Wer mit Verständnis sie erkannt, der, meine ich, ist tolerant!

Wer Not leidet, wer Hunger hat, für den find´t Toleranz nicht statt.
Wie Brecht schon sagt: Es gibt keine Wahl: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral".
Man müßte erst die Nöte lindern, das Elend und den Hunger mindern,
den Teufelskreis des Elends brechen, – dann kann von Toleranz man sprechen!

Oh ja, die Toleranz hat´s schwer, doch wundert Euch darob nicht sehr:
Geschichte, Daten, Jahreszahlen, Kriegsgeschrei und Todesqualen,
Helden, Schlachten, Waffenglanz erziehen nicht zur Toleranz.
So wurden Kinder stets belehrt - von Toleranz fast nichts gehört.

Doch Tolerante sind nicht feige, das eig´ne Ich erkennend, zeige,
dem anderen man, daß man versteht, wie er sich gibt und was er red´t.
Kritik und Mut sind sehr vonnöten, sonst geht die Toleranz bald flöten...
nur, wer selbständig urteil´n kann, kann sein ein toleranter Mann.

Die Toleranz, wie Ihr wohl wißt, die Basis – auch bei uns hier ist.
Wer Freundschaft als das höchste Ziel erkoren hat, der braucht nicht viel
Gedanken daran zu verschwenden, ob wir sie untereinander auch verwenden.
Denn wahre Freundschaft kann nur dann entsteh´n, wenn wir es lernen umzugeh´n
gemeinsam, frei und tolerant – und reichen uns die Hand.

Das schließt Kritik ja gar nicht aus, Kritik befreit und läßt mal raus,
wenn was nicht stimmt, wenn was nicht schön: Mit Toleranz gibt´s kein Problem.
Doch jetzt, Ihr Freunde, mach ich Schluß, sonst gibt’s am Ende noch Verdruß,
weil ich zu lang Euch strapaziert. Aber: Dies Thema hat mich fasziniert!

Ich hoff´ auf Eure Akzeptanz meiner "Gedanken zu der Toleranz".


(Quelle: VTF-Post P 101, Heft 4/2000)
(vorgetragen auf der VTF-Jubiläumstagung 2000)